(Bild kommt von der äußerst großartigen Website: immortalhumans.com)
Ich bin der transhumanistischen Bewegung nicht abgeneigt; eher sogar zugetan. Natürlich gibt es im Zusammenhang mit dieser Bewegung / diesem Wissenschaftszweig auch immer mal wieder ziemlich radikale Auswüchse. Unweigerlich stößt man auf Menschen und Vereinigungen, die mit gesundem Menschenverstand (Attention: Definitionsproblem ahead!) nicht mehr viel gemein haben. Schaut man sich das breite Feld der Zukunftsforschung an, oder recherchiert mal nach, was es alles so für Vorstellungen gibt, stößt man auch auf Vereine, die mit Trans(oder Post-)humanismus so gut wie nix mehr am Hut haben.
Beispielsweise die Church of Euthanasia (ich mein', ich hätte die hier schon mal erwähnt, find's gerade aber nicht). Diese Vereinigung propagiert die Auslöschung der Menschen. Machbar durch gezielte und sofortige Sterilisation aller Männer. Da hört's bei mir auf. Und bei anderen fängt da der Umweltschutz gerade erst an. Was ich damit sagen will… es gibt Bewegungen bzw. Kulturen, denen ich verdammt viel abgewinnen kann (Extropianer, zb. hochinteressant!). Dann gibt es die dunkle Seite (siehe oben); und dann gibt es immer mal wieder Ansätze und Ideen, die ich nicht bis zu Ende gedacht habe; zu denen ich mir kein abschließendes Urteil gebildet habe. Mir vielleicht auch nie eins bilden werde. Wie eben das kürzlich erwähnte Thema Kryonik.
Einfrieren? Komplett? Nur den Kopf? Bin ich denn dann auch wirklich save? Ist das egoistisch, oder kommen mir nur meine beknackten Wertvorstellungen und moralischen Bedenken in die Quere? Oder seh' ich's lieber völlig pragmatisch und rational, und freu' mich auf einen Sarg voller Eis (jaja, kein Eis, ich weiß es ja!) ? (In Deutschland ist ein solche Lagerung übrigens nicht möglich; diese kollidiert nämlich mit dem deutschen Friedhofszwang – der m.E aber auch irgendwie dämlich ist.)
Unter meinem vorletzten Kryonik-Artikel hatte mbee freundlicherweise einen wirklich interessanten Link zur Website biostase.de hinterlassen. Diese Website (und der Verein dahinter) ist in Deutschland die erste Anlaufstelle für Kryonik-Interessierte (wenn ich das richtig deute). Und jetzt – so ganz ohne Wertung- , haue ich mal eben einige Argumente hier rein, die wiederlegen möchten, warum Kryonik eigentlich eine blöde Idee ist: (Grundsätzlich sollt man sich zunächst mit dem Gedanken vertraut machen, dass eine Kryonisierung nichts anders sein kann, als ein schlichter Rettungsdienst. Dann geht das leichter runter) Here we go:
Warum lassen manche nur ihr Gehirn vitrifizieren, nicht aber den Rest ihres Körpers?
Manche Menschen nehmen an, dass das Gehirn ihre gesamte Persönlichkeit beherbergt, und dass der Rest irgendwie ersetzbar wäre.
Warum sollte man bei einem toten Körper diese Prozedur durchführen?
Die Grenze, ab der jemand für tot erklärt wird, verschiebt sich seit Anbeginn der modernen Medizin. Personen, bei denen heute das Herz aussetzt, werden reanimiert. Ebenso bedeutet ein Aussetzen des Gehirns keinesfalls, dass es keine Persönlichkeit mehr beherbergt.
Wozu soll das alles gut sein?
Kryonik begreift sich als Rettungsmaßnahme für den Fall, dass die zeitgenössische Medizin einem Menschen nicht mehr helfen kann. Kryonik soll dann dazu dienen, den Zustand des Menschen festzuhalten, um ihn anschließend durch die Zeit hindurch einer zukünftigen Medizin zu überbringen, in der er oder sie geheilt werden kann.
Wenn ich den Tod als natürliches Phänomen akzeptiere, kann ich zwangsläufig nichts mit Kryonik anfangen, oder?
Das kommt ganz darauf an, ob diese Akzeptanz die Ablehnung von lebensrettenden Maßnahmen grundsätzlich einschließt. Kryonik versucht letztlich einen Krankentransport durch die Zeit.
Wendet man sich nicht gegen sein (eventuell durch eine höhere Macht) vorbestimmtes Schicksal, wenn man vor einer bis dato unheilbaren Krankheit gerettet wird?
Falls dem so ist, wendet man sich wohl auch gegen sein vorbestimmtes Schicksal, wenn man eine in Deutschland unheilbare Krankheit in den USA behandeln lässt. Oder wenn man eine jahrelange Dialyse in Anspruch nimmt, weil es bis dato kein verfügbares Spenderorgan gibt. Kaum jemand lehnt jedoch diese Optionen ab.
Ist Kryonik nicht nur Geldmacherei?
Das ist ausgeschlossen, denn die beiden großen Kryonik-Anbieter (Alcor und Cryonics Institute) dürfen aufgrund ihrer Gesellschaftsform überhaupt keinen Profit erwirtschaften. Auch dürfen die Angestellten von Non-Profit-Organisationen kein übermäßig hohes Einkommen haben.
Ist das alles nicht furchtbar egoistisch?
Sind Rettungsdienste egoistisch? Nein. Sind Menschen egoistisch, weil sie gerettet werden wollen? Ja, falls sie diese Möglichkeit anderen Menschen vorenthalten wollen. Dies ist bei Kryonikern normalerweise nicht der Fall.
Trägt Kryonik nicht zur Überbevölkerung bei?
Trägt ein Rettungsdienst zur Überbevölkerung bei? Diese Frage ist offenbar zynisch. Dennoch: Untersuchungen zeigen, dass uns eine höhere Lebenserwartung nur vor moderate Probleme stellt.
Warum sollten mich Menschen in der Zukunft heilen?
Weil Kryoniker auch in der Zukunft ein funktionierendes Notfallsystem, also eine funktionierende Kryonik haben wollen. Sich nicht um bisherige Patienten zu kümmern wäre dafür höchst kontraproduktiv, denn es würde ihre Glaubwürdigkeit kompromittieren.
Wenn das alles so toll ist, warum entscheidet sich dann fast niemand dafür?
Wir vermuten, dass dies mit einem Phänomen des menschlichen Gehirns zusammenhängt: der Tendenz zum Status quo (status quo bias). Das menschliche Gehirn bevorzugt demnach Szenarien, die keine Änderung des Etablierten bedeuten. Dazu gibt es interessante psychologische Studien. Zusätzlich blenden wir gern Themen rund um unsere Sterblichkeit aus.
Ist das nicht alles unbezahlbar?
Üblicherweise wird Kryonik über eine Risikolebensversicherung finanziert. Größenordnung: 10 bis 30 € pro Monat. Hinzu kommen bis zu 30 € für Mitgliedsbeiträge.
Angenommen, es käme dazu, dass ich Jahrhunderte später erwache. Dann kenne ich doch niemanden, oder?
Je mehr Menschen sich für Kryonik entscheiden, desto mehr Menschen werden sich potentiell in der Zukunft wieder treffen.
Nun ja. Ich bin mir dann mal den Kopf zerbrechen Gedanken machen. Was ich aber schon jetzt beitragen kann, ist das hier: Sich Gedanken um die Zukunft zu machen, ist manchmal sicher nicht so verkehrt.
Und ihr so?