Leute. Ich muss gerade mal etwas brechen; ich hab' nen Hals, dick wie ein amerikanisches Männerbein. Was labern die nur alle von ah, wählen ist so wichtig und ah, wer nicht hin geht, der darf dann auch nicht meckern oder ah, wer nicht wählt, versteht die Demokratie nicht. Fuckerz alle, echt mal. Die haben doch alle den Knall nicht gehört. Mit DIE meine ich jetzt nicht euch LeserInnen; also nicht unbedingt; sondern eher die Spackos von Twitter, die mir eben die oben zu sehende Hate-Mail schicken. Oder die Dusel-ZEIT-Autorin Carolin Memecke, die in ihrem Pro-Wahl-Artikel mal eben reflektierte, überlegte, intelligente Anarchisten (oder Menschen, mit anarchistischen Überzeugungen) in einen Topf mit Rauten-Merkel wirft, weil die ja auch so rumeiert, wie es Nichtwähler tun; geht man nach der Logik der Autorin. Sie schreibt:
Es mehren sich die Stimmen, die diesen Gestus zu zitieren scheinen, indem sie das "Nichtwählen" zur radikalen Verweigerung eines politischen Systems erklären, in dem die Parteien verwechselbar, die Programme austauschbar und die Wahlen keine Wahlen seien. – Ich halte das, mit Verlaub gesagt, für Bullshit.
Ich sage: Bullshit! Stimmt. Gut erkannt. Ich wende mich nun mal direkt an Fräulein Obrigkeitsgläubig (aka die Autorin): Du hast doch keine Ahnung, wer oder was 'ne Demokratie ausmacht. Ich auch nicht. Offensichtlich weiß das keiner mehr so genau, einige Steinewerfer in Athen vielleicht noch, die wissen wenigstens, wie man sich 'ne Stimme verschafft, bei uns schaffen das doch nur noch Wirtschaftslobbyisten; der medial-verstrahlte Rest glaubt doch eh immer weiter an Wachstum und Wachstum; und an Wachstum auch noch; lebt in einer imaginierten scheindemokratischen Blase, die in Wahrheit nichts anderes ist, als 'ne Diktatur des Dollars (oder des Euros). Die reden von Veränderung, tolerieren aber Gewalt; und sei es ja nur die, die vom Staate ausgeht. Klar, mit solchen nicht-finalisierten Gedankenwelten kommen wir nie weiter; wer die bessere Welt nicht mal denken kann (oder will), der hat auch keine solche verdient. In diesem Sinne bin ich da beim anarchistischen Links-Außen-Gesocks und sehe einen Wahlgang als eine Art Gewaltverbrechen; als ein Frevel an der Humanität. Nimmt man alle Straftaten (definiert durch die Gesetzgebung) der übelsten Gangster der Neuzeit zusammen, stehen diese immernoch in keinem Verhältnis zu dem, was so die so called Volksverräter Volksvertreter den Menschen bzw. den humanistischen Werten angetan haben. Seit den unrühmlichen Zeiten der NSDAP gibt es nun auch wieder bei uns 'ne Art Bürgerpolizei. In Hessen. Legitimiert durch 16 Jahre tief konservativ-christlicher Bullshit-Politik; alles im Sinne des Volkes, durchgedrückt durch dessen Vertreter. Ach, und wer hat übrigens über Assad und sein Gift gemeckert? Der hat das von uns (bekannt geworden durch eine Anfrage der LINKEN! (Info via Max) ; und ich frage mich, welche Volks-Vertretung so ne Scheisse abgesegnet hat!? Oder wart ihr das? Mit dem Kreuz an der richtigen Stelle? Na? Na? Na? – Flachzangen. Ey.
Gibt man seine Stimme ab (und schon diese Formulierung lässt doch jedem anständigen Freigeist die Nackenhaare zu Berge stehen!), legitimiert man eine Gesellschaft, in der Schlagstöcke, Bespitzelung, Hass und Wachstum vor Blumen, Vertrauen, Liebe und Genügsamkeit stehen. Als Freizeit-Anarchist bleibt mir da nur zu sagen: ICH legitimere – zumindest in meiner Gedankenwelt – keinerlei Gewalt, egal von wem oder was diese ausgeht; ich beteilige mich NICHT an einem System, was Hass, Angst, Wachstum und Doppelmoral propagiert.
Und das war nur EIN Grund, warum man nicht hingehen sollte, wenn man sich nicht lange und ganz ganz ganz genau überlegt hat, wem (und für was) man am Sonntag seine Stimme ABGIBT.
Und jetzt kommt der Clou: Ich geh' dieses Jahr selber hin; meine Wahlentscheidung und Wahlempfehlung lässt sich (unter anderem) hier nachlesen. Warum ich jetzt nach dem Gepolter oben so 'ne Kehrtwende vollziehe? Weil ich das Gefühl habe, dass Anarcho-Blogging, Wikileaks-Spenden, Demos, Plakatierung, viel Gequatsche im kleinen Kreis, etc. dieses Jahr nicht genug sind; weil ich finde, dass die Demokratie (mit künftigem Linksdrall) zumindest noch eine letzte – eine allerletzte! – Chance verdient hat.
…ich las eben einen Comment auf Facebook
Schleichende Veränderungen hingegen scheinen mir unaufhaltsamer und stabiler, weil sie sich nach und nach auch im Werte- und Denksystem der Menschen verankern. Da helfen Wahlenscheidungen durchaus mit bei der Konsolidierung dieser winzigen Veränderungen.
Klingt gut. Ist es auch. Wenn man die derzeitig praktizierte Demokratie als kleinstes Übel begreift, der Obrigkeit hörig ist und gläubig gegenüber steht, den Status Quo als unveränderbar anerkennt und sich der illusionären Hoffnung hingibt, dass sich in den nächsten vier Jahren irgendwas verändern wird, nur weil man (oder Frau) ein Kreuz auf einem nichtigen (?) Blatt Papier macht.
…ihr seht bzw. lest die Diskrepanz, ne? Ich fasele und fasele, gebe mich aber am Sonntag der selben Illusion hin. Allerdings hat meine Illusion ein Fundament: Ich habe das Gefühl, dass Gregor Gysi nun endlich die Achtung erfährt, die ihm gebührt. Ich habe weiterhin das Gefühl, dass bei viel mehr Menschen der Wunsch nach Veränderung durch ein alternative, linksorientierte Politik besteht, als es bei den letzten Wahlen der Fall war. Einen weiteren Grund habe ich auch noch: Der ist privat, blond, unglaublich sexy und hat mehr Ahnung von Politik, als ich sie mir jemals aneignen könnte. Diese beiden – natürlich sehr subjektiven – Gründe lassen mich daran glauben, dass die Wahl dieses eine mal anders ausgehen könnte, als es bisher der Fall war. Außerdem will ich noch ein (letztes?) mal den Thrill vor dem TV am Sonntagabend erleben.
Was ich eigentlich sagen will: Wählen gehen ist keine Bürgerpflicht! Das Hinterfragen der politischen Kaste und ihrer Machenschaften Aktivitäten schon. Wer also nicht hingeht, bekommt einen Keks von mir. Wer hingeht und die LINKEN (oder die Violetten:) wählt: Zwei ;) Für alle anderen gilt: Grün, SPD-Rot, Schwarz, oder Gelb. Die stehen ALLE für Verrat an der Menschlichkeit, für Expansion, für Ellenbogen, für den Ego-Arschlochmodus, für Giftgas, Angst, Taliban und Nachbarschaftskriege.
Ergo: Fickt euch, ich bin fertig mit euch und in meiner (künftigen) Kommune dürftet ihr maximal den Küchendienst machen. An Entscheidungen werden Arschlöcher eben nicht beteiligt; wir sind da dann nämlich allesamt Esos, Gutmenschen und Pazifisten, und keine Heckenpenner, Großkapitalisten oder doppelmoralige Kleingeister, die weiter Krieg spiel möchten.
So far. Ich sehe dem Sonntag gespannt entgegen.
Endlich mal wieder.