Warum ich das Alleinstellungsmerkmal von XING doof finde!

Grade eben hat mich ein Facebook-Posting des Herrn Sauer zum Denken angeregt. Karsten (also der Herr Sauer) meint, oben auf der XING-Grafik wäre ein Interessanter Ansatz zu entdecken. Interessant im Sinne von selten dämlich? Ja, da bin ich wieder bei dir, Karsten;) Mal davon abgesehen, dass ein solches Hervorstellen des LETZEN Alleinstellungsmerkmals eines sozialen Karriere-Netzwerkes (was mir beim einloggen irgendeine Scheisse für 3€ verkaufen will….anderes Thema…) auf mich irgendwie wirkt wie: Guckt, wir sind anders als Facebook! …wir können zwar nicht viel mehr, aber immerhin haben wir einen Ansatz der… und da hört es bei mir auch schon auf. 

Ich weiß; ich rutsche bei solchen Dingen immer zu schnell ins philosophische ab; denke mich vielleicht tiefer in solche Claims rein, als es nötig wäre. Wenn wir aber XING als letzte Chance, als letztes Anti-Facebook begreifen wollen sollen, die dieses Schildchen so provokant an ihre Eingangstür hängen… ich Marketing-Nerd bin, mich seit Jahren im Social Media-Umfeld bewege…dann kann ich gar nicht anders. Da muss ich doch mal einige Fragen stellen: 

  • Haben die Damen und Herrn, die sich das ausgedacht haben, etwa irgendwas was zu verstecken? Gar zu verheimlichen? 
  • Warum sollte ich in irgendeiner Lebenssituation ein anderer sein, als der, der ich nun mal bin? (Davon mal ab, dass wir ALLE sofort nach dem Weckerklingeln eine Maske aufsetzten; und ich meist die Menschen am liebsten habe, bei der die Maske durchlässig und transparent ist…) 
  • Ziehe ich mir beim Einloggen ins XING-Netzwerk einen Anzug an, und spreche eine förmlichere Sprache? 
  • Sehe ich privat auf Facebook anders aus, als in einem Karriere-Netzwerk? Wenn ja: Warum überhaupt? 

Klar, alles rhetorische Fragen die eher zum Über/Andenken da sein sollen, und weniger zur Beantwortung. Das Fass der neuen Transparenz in Zeiten des Interwebs kann somit geöffnet werden. Mal wieder. Denn: Ich finde das Thema wichtig. Wichtig, im Sinne von wichtig für uns alle und unseren Planeten. Denn: Faktisch lebe ich in einer Welt, in der ich fast alle Produkte besser verkaufen kann, wenn ich einen Anzug trage. Das habe ich noch nie kapiert. Denn gilt nicht eigentlich das hier: 

Content ist immer King!?

Da sind sich doch wohl hoffentlich alle Netzeinwohner einig, oder? Warum rennt ihr dann XING hinterher? Weil euch dort Schlippsträger besser irgendwas verkaufen können? Weil ihr selber Schlippse tragt, und im XING-Netzwerk besser verkaufen könnt? Ich weiß das nicht; ich trage selten Schlippse, bin noch seltener bei XING, habe aber durchaus mal zwei Jahre Sales gemacht, weiß also wie der Hase hoppelt (genau deshalb bin ich übrigens nicht mehr in dem Bereich) Nicht falsch verstehen: Ich hab' nix gegen XING; find's sogar  toll, dass es neben Facebook überhaupt noch irgendetwas anderes gibt. Mit diesem Claim hat XING bei mir aber nun die letzten Gummipunkte verspielt. 

Wenn ich will, dann spiele ich gefälligst auch im Office Fußball. Und sehe scheisse aus. Warum auch nicht? Was spricht dagegen, dass wir uns in erster Linie als Menschen begegnen, und erst in zweiter Linie als geschäftige Geschäftsmänner und Frauen? Was? Der festgefahren Kapitalismus im Jahre 2012? Die völlig beknackte Erziehung ala du musst auch nach was aussehen, sonst…war die Waldorfschule ja umsonst!? Was? Ich verstehe es wirklich nicht. Vielleicht erklärt mir das mal wer. 

Was ich aber verstehe: Mit Menschen, die auf mich authentisch wirken, mache ich die liebsten Geschäfte. Mit Menschen, die für jede Lebensituation ein spezielles Netzwerk oder andere Klamotten brauchen, eher weniger gern. Ich halte es da ähnlich wie einer meiner All-Time-Favorit-Autoren. Herr Thoreau sagte nämlich einst: 

Beware of all enterprises that require new clothes

9 thoughts on “Warum ich das Alleinstellungsmerkmal von XING doof finde!

  1. Alex says:

    /signed
    Xing lebt IMHO nur noch deswegen, weil es Nicht-Netzmenschen gibt, die das toll finden. Das Leben spielt sich aber gänzlich woanders ab. Oder um mit unserer HR-Frau zu sprechen: „Ich werde misstrauisch, wenn ich kein Facebook-Profil finde.“

  2. Ich hab grad nicht die Luft, um den kompletten Post in all seinen Facetten zu kommentieren, möchte aber einen kleiiinen Aspekt rausgreifen: Ich finde es völlig in Ordnung, dass in der geschäftlichen Zusammenarbeit ein gewisser Code existiert, der nahelegt, eine Grenze zwischen Privatem und Geschäftlichem aufrecht hält. In meinen Projekten geht es darum gewisse Ziele in einer gewissen Zeit unter Verwendung begrenzter Mittel zu erzielen – Projekte halt.

    Da ist es hier und da dem Menschlichen Miteinander zuträglich, auch private Dinge in die Gespräche miteinander einfließen zu lassen. Gerade aber bei Projekten mit vielen Beteiligten schätze ich eben diese Trennung, weil ich mich eben NICHT mit dem Privatleben meiner Gesprächspartner auseinander setzen soll und muss – es hierfür klare Grenzen gibt. Das wäre ineffizient und interessiert mich im Zweifelsfall auch gar nicht.

    In anderen Branchen oder Berufsbildern mag das ganz anders aussehen. Im Projektmanagement rund um IT passt das für mich aber.

  3. Chris says:

    Ich verstehe. Die ganze Sache nun etwas besser. Das es eine Art „Business-Codex“ geben muss, verstehe ich zwar, empfinde dies aber gerade im Web als etwas überholt.
    Wir sitzen alle vor Screens, keiner sieht wenn du rauchst, oder nebenher Poker spielst.
    Das es im REAL-Life ohne eine solchen Codex in Chaos ausartet, ist sicher richtig.
    Andererseits wickelst du ja deine „Projekte“ nicht nur über Xing ab (hoff ich für dich!;)

    Das Plakat suggeriert mir: „Bei uns werden echte und todschicke Geschäfte gemacht; bei Facebook gibts nur Bier, Fußball und Brüste.“

    Eigentor! Das mein ich… ;) (unter anderem)

  4. OliverG says:

    Na, wenn ich auf Facebook so nett gebeten werde, dann kommentier ich auch.
    Ist aber komplex.
    Erstmal gibt es viele XING-Mitglieder die nicht bei Facebook sind und das auch ganz indiskutabel finden.
    Dann gibt es andere, die sagen. mach ich halt das selbe wie bei XING halt bei Facebook (also: Geschäfte).
    Dann gibt es die, die sagen ‚ich bin privat bei XING.‘ und treiben sich in den Hobbygruppen dort rum.

    Das Alleinstellungsmerkmal stimmt schon, es hat aber weniger mit Schlips und Maske zu tun (ich bilde mir ein selten Maske zu tragen und Schlips zuletzt bei nem Dinner…)
    Das Am ist eher eine Persektivefrage.
    Facebook sagt selbst es sei ein Netzwerk für ‚persönlich Bekannte‘ und es untersagt eine Businessnutzung der Privatprofile.
    XING stellt alles unter ein Primat des Business, Facebook stellt das Private (ich sag lieber: das Persönliche) in den Vordergrund – XING irgendwie auch, denn das Motto der Ambassadorgruppen ist: „Das Persönliche steht im Vordergrund, das Geschäftliche ergibt sich.“
    Viele fühlen sic bei XING wohler, da dort der deutsche Datenschutz gilt (über den man ganz andere Diskussionen führen kann).
    Fakt ist: Über XING geht durchaus Geschäft, ich krieg da Anfragen etc. Das geht vielen so.
    atithetisch stehen sich die beiden nicht gegenüber. Durch Facebook und Twittersharing öffnet sich XING nach außen und was man mit dem neuen RSS-Import so alles machen kann, muss ich den Geeks hier nicht erzählen.
    Meine Businesstweets laufen in mein XING-Unternehmensprofil (das geht jetzt bei allen gratis) und meine Gruppenupdates bei XING laufen zu Twitter und Facebook.

    Mir ist an sich ziemlich egal wo ich bin: Ich bin im Netz und nutze die Möglichkeiten. XING links liegen zu lassen halte ich nicht für schlau. Und so lange Leute hier bei Facebook „Rüdi Ger“ heißen (deswegen findet die HR-Frau sie nicht.) ist FB eventuell B2C-tauglich aber bei weiten nicht für B2B einsetzbar.
    Dass der Chef den Mitarbeiter als Kontakt ablehnt kommt glaube ich eher seltener vor als dass der Mitarbeiter gar nicht der Kontakt des Chefs hier sein will. (ich red mit vielen vielen Leuten über solche Themen, und gerade mit vielen Nicht-Geeks…)

    Fazit mag ich jetzt keins malen, ich hab extra für euch am Feierabend die Tastatur rausgeholt und verpasse hier den adigitalen gemütlchen Teil.
    Nur so viel: „Das eine tun und das Andere nicht lassen“ ist die Taktik, die ich meinen Kunden empfehle (und für manche ist auch ‚Nur XING‘ oder ’nur Facebook‘ das Richtige…). Die Strategie heißt sowieso. Blog.

  5. Chris says:

    ahhhh. Danke sehr für die Aufklärung. Ich denke mein leicht-rantiger Text zusammengenommen mit deinen fachlichen Ausführungen…das hilft. Vielleicht liest XING ja mit und alles wird gut!?

  6. Oliver says:

    Sei versichert, dass XING eine relativ gute Vorstellung hat, wo sie in drei oder in fünf Jahren hin wollen.
    Ob sie hier mitlesen, weiß ich nicht. Daniela Hinrichs hätte noch mitgelesen ;) Wie das Blogmonitoring heute funzt, weiß ich nicht.
    Wenn du mal das aktuelle XING (mit Stream, Topics, Schnittstellen etc) neben das von vor 2 Jahren hältst, dann ist das einzige, was noch gleich ist: das Grün. (auch das Profil sieht in großen Teilen anders aus).

    Was es alles nicht gab:
    – Share und kommentierbaren Stream (ja, wie bei Facebook, das es in Teilen von Twitter geklaut hat …)
    – Share zu Twitter & Facebook (ich hoffe ja man arbeitet hart an einem +1 Button ;) )
    – Betaprogramm u.a. mit RSSimport für Blogs
    – Beatafeature #Themen‘, was XING faktisch zur Blogplattform macht (RSS wird es geben und es gibt ein Themen-Tab im Profil)
    – Twitter (hoffentlich bald RSS-) _IM_port zu XING auf der Unterneemnspage
    – Editor für Über-mich und Eventpages, incl Grafikeinbindung.

    Ja, für alte Twitterer. Blogger und Facebooker ist das alles kalter Kaffee, aber es ist ein GANZ anderes XNG-Konzeot als e ‚Closed Shop#, den groß-Selbeck von Lars Hinrichs übernommen hat.
    Und es wird alles so gebaut, dass der datenschutz erhalten bliebt (Sharing bei XING z.B. entfernt alle persönlichen Infos der ‚qualle‘ vom ‚Gesharten‘ (außer bei Umfragen…)

    bashen udn doof finden ist enfach (dei meisten Leute in der „echten Welt“ finden übrigens Twitter doof und wüssten nicht, was sie mit nem Blog machen sollen. weil sie nicht genau hingucken.

    Genau hingucken sollte man schon.

  7. Chris says:

    In der Tat. Eben WEIL ich genau hingucke und das Netzwerk eigentlich für „nötig“ halte; …finde ich SO einen Werbebanner halt doppelt-doof.
    Das es gewisse Funktionen nicht gibt / geben wird, hat sicher auch mit dem von Karsten erwähnten „Kodex“ zu tun. Macht ja auch zb null Sinn, alles bei Facebook abzugucken, wenn man „woanders“ hin will. Aber sowas wie nen „bestätigten“ Twitter-Feed Import für Unternehmen wäre auch sicher nicht allzu verkehrt, künftig.

    Ich bin echt mal gespannt; grad weil FB ja jetzt schon wieder was angekündigt hat…(weißt was ich mein, nehm ich an, habs grad nicht aufm Schirm, halt irgendwas, was LINKEDIN und XING Angst machen soll…)

  8. Oliver Gassner says:

    Der Claim da oben ist etwas, was viel viele wollen (noch mehr wollen weder Berufliches noch Privates im Netz abwickeln).

    Guckstu auf mein XING-Firmenprofil (carpe.com), da ist der Twitterfeed ;)

  9. Oliver says:

    a) dieses Formular merkt sich meine Formulardaten nicht
    b) ‚privates‘ benutze ich gar nicht im Kontext mit ‚Web‘, ich sag meinen Kunden immer: ‚wenn es privat ist, dann tippen Sie es einfach nicht ins Netz ein.‘ (Eine Kundin sagte, sie wolle nicht bloggen, da sie keine Interna verraten wolle…???) an sich … aber ich hab dazu ja oben schon was geschrieben, merk ich grade ;)

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