300 Tage allein auf einer Insel

Als ich damals die ersten Teaser zur DMAX-Sendung Ausgesetzt in der Wildnis sah, war ich begeistert: Sowas fehlte in der deutschen TV-Landschaft! Dann aber sah ich die erste Folge. Brechreiz wie in den schlimmsten Crusoe-Alpträumen. Das sollte nun also der Clou an der Show sein? Ein hyperaktiver Westler, der sich mit drei HD-Kameramännern durch Tümpel und Wälder schlägt, dabei alles abholz und plattwalzt was ihm den Horizont verstellt? Einer der lächerliche – und in keinster weise nötige – Stunts veranstaltet, nur um zu zeigen, wie hart es doch in der Wildnis ist? (Vor allem, wenn man drei Kameramänner vor Waldkäfern schützen muss). Einer der Larven isst, nur um scheisse auszusehen? …und schon war ich wieder raus. Schade Schokolade. 

Da lobe ich mir die Expedition von Xavier Rosset. Der hat nämlich 300 Tage (fast) alleine auf einer Insel gelebt. Und das alles völlig unaufgeregt und ganz ohne mediale Effekthascherei. Hier ein Snip aus dem Wikipedia-Tofua-Artikel (so heißt die Insel) 

2008 lebte der Schweizer Profi-Snowboarder und Abenteurer Xavier Rosset 300 Tage lang eremitisch auf der unbewohnten Insel, nach eigenen Angaben als Selbstversuch zur Selbstfindung. Als Ausrüstung hatte er nur ein Satellitentelefon, über welches er auch mit einem Arzt kommunizieren konnte, eine Machete, ein Taschenmesser, ein Feuerzeug, ein Erste-Hilfe-Set und eine Kamera nebst Solarpanel zum Aufladen der Akkus dabei.

Der Mann sagt solche imposanten Sätze wie diesen hier…

Heute morgen bin ich aufgewacht und dachte: Ich brauche eine Bank. Nun ist es Abend, und ich habe eine Bank. Meine Bank.

…und fängt auch mal an zu weinen, wenn er von der Schönheit eines wilden Vulkanes förmlich erschlagen wird. Auch ist er klug genug, den Arzt zu rufen, um sich vor einer Blutvergiftung zu schützen. Besonders schön finde ich die Szene, in der er über seine Beziehung zu der kleinen Sau spricht. Die er eigentlich essen wollte, das jedoch richtigerweise nicht tat, da es ein Jungtier war. Die Sau ist ihm wohl immer und überall auf seinen Exkursionen nachgelaufen. Bis sie eines Tages ihr eigenes Leben wählte. 

Wie er da sitzt…über die Sau spricht…das Meer vor Augen, die Einsamkeit im Nacken… das bewegt mich sehr. Ebenso wie der Erdloch-Fisch. Der aber aus ganz anderen Gründen: Genau so wie der das da macht, haben auch wir früher fast ungenießbaren Karpfen weichgeräuchert. Ein Fisch, aus einem warmen Loch in der Erde: Es gibt nichts, was leckerer schmecken könnte! 

Mein persönliches Maximum an Einsamkeit habe ich vorletztes Jahr erlebt: Fünf Tage im Wald, keine Menschenseele, nix. Und dann traf ich einen Pilzsammler. Aus Köln… ;) Ich fühlte jedoch nicht einmal einen winzigen Anflug von bedrückender Einsamkeit. Einsam war es ja, aber im positivsten aller Sinne. Vielleicht sollte ich mal 'ne Null an die 5 dranhängen…

Ende Mai plane ich bis zu 10 Tagen ohne menschlichen Kontakt. Mal sehen wie das wird. Vielleicht esse ich dann auch keine Sau. 

14 thoughts on “300 Tage allein auf einer Insel

  1. Ich würd mich ja anbieten mit zu kommen und das zu filmen, aber das widersprich dem Wort Einsam/Alleine ein wenig, wa?

  2. Chris says:

    Wenn du dich als Sau verkleidest… ;)

  3. Jeannine says:

    sehr bewegend. 

  4. Pingback: Reisenews
  5. Anne says:

    Boah! Eigentlich wollte ich ja tausend Sachen machen. Stattdessen saß ich jetzt 40 min einfach nur da und hab mir diese grandiose Doku angesehen. Toll! Heute Abend guck ich noch mal.

  6. d▲M▲x says:

    Äh… was erwartest du von DMAX? Ein reiner Testosterondeppensender. Meinste da kommt plötzlich intelligentes Fernsehen? Da kannst dich ja gleich über die BILD ärgern, dass die keine Hintergrundartikel schreiben ;)

  7. Chris says:

    Na! Also Antony Bourdain ist der Hammer. Sonst,…. stimmt, nix. 

  8. Olaf says:

    Ha Chris! Es gibt einen Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein. Und Du hast ihn verstanden. Oder anders gesagt:
     
    „Mir geht es mit der Einsamkeit wie anderen mit dem Segen der Kirche. Sie ist für mich ein Gnadenlicht. Ich mache nie hinter mir die Tür zu, ohne mir bewusst zu sein, dass ich damit für mich eine Tat der Barmherzigkeit vollbringe.“
     
    (Peter Høeg, Fräulein Smillas Gespür für Schnee)
     
    Genau diese Reportage lief letztens erst im Fernsehen. Ich glaube im NDR war´s. Sehr beeindruckend!

  9. Chris says:

    Ich sollte auch das endlich mal lesen. (oder…kann man das nicht sogar gucken!?) 
     

    Jau, hab ich, ich habe Freunde, Familie.. und wenn ich 6 Monate "alleine bin", bin ich doch nicht "einsam". So mein Gedanke. 

  10. Chris says:

    Ach stimmt. Auf "HR" lief das wohl auch,  da ist so ein Logo in den ersten Minuten…

  11. Olaf says:

    Ich empfehle Dir auf jeden Fall erst das Buch zu lesen. Nur so kannst Du wirklich Frl. Smillas Wesen, die grönländische Seele und nicht zu letzt die feinen Verspinnungen und Zusammenhänge der Geschichte erfassen.
     
    Gleichwohl Julia Ormond im Film als Frl. Smilla genau so war, wie ich sie mir beim Lesen des Buches vorgestellt habe. Ich fand den Film ganz gut, aber er erreicht längst nicht die Tiefe des Buches. So eine Story passt eben nicht in 1,5 Stunden.
     
    Als ausgemachter Høeg-Fan möchte ich Dir auch unbedingt noch "Die Frau und der Affe" und "Das stille Mädchen" empfehlen. Google mal danach, ich bin mi sicher, es trifft Deinen Geschmack. 

  12. rollinger says:

    So habe den Bericht jetzt ganz gesehen. Tolles Ding. Tränen bei Naturerscheinungen..ja, kenn ich. Vielleicht meine Ersatzreligion. Mir ging es letztes Jahr so, als ich auf dem Ding stand und umwanderte.
    http://g.co/maps/nnpwt
    Danke für den Film. Erstaunlich wie der Typ irgendwie, ernster wurde, reifer und auch älter. Auch durch den Gewichtsverlust.

  13. jaffa says:

    *smile* Vor Herrn Grylls hätte ich Dich warnen können. Ich halte Les Stroud ("Survival Man") eindeutig für die bessere Wahl. Danke für den Hinweis auf Xavier Rosset.
     

  14. jaffa says:

    *smile* Vor Herrn Grylls hätte ich Dich warnen können. Ich halt Les Stroud eindeutig für die bessere Wahl… Danke für den Hinweis auf Xavier Rosset.

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