zelten

Schön war’s!

Tach auch. Wie im letzten Jahr, als ich den Spessart durchkreuzte, kleb' ich auch diesesmal wieder einfach einige Bilder ein und tippe munter drauf los, was mir so im Kopf herumspukt.

Da ich dieses mal mein neues Zelt dabei hatte (Nordisk Pasch – wer ein ordentliches 1-Mann Zelt sucht: Das Teil ist der Hammer, wenn auch recht klein), waren die einzigen beiden Tagesaufgaben diese hier:

  1. Wasser organisieren.
  2. Einen geeigneten Platz für ein geeignetes Nachtlager finden.

Sollte mal wer im Soonwald umherwandern, empfehle ich stets die Augen nach Wasserquellen und Schlafplätzen offen zu halten. Denn im Soonwald stößt man streckenweise über 35 Kilometern auf keinerlei Siedlungen. Und auch der Name ist Programm: Soonwald.

 

(Eine wirkliche tolle, flache Wiese, für ein wirklich tolles Zelt.)

Warum ich das erwähne? Weil im Wald und bei Regen das Zelten schon ganz schön kacke sein kann. Normaler Nieselregen auf einer Zeltplane mag ja angenehm berieselnd sein…kuschelwuschel und so.. wenn Bäume allerdings monströse Tropen fallen lassen, dann hört sich das an, als würde der dritte Weltkrieg zwei Zentimeter über deinem Kopf sattfinden. Hatte ich schon das Wort Wald erwähnt? Waldränder suchste dagegen da unten nämlich unter Umständen stundenlang. Und das vergeblich.

(Sinnespfad und Barfußwanderung. Alles ist möglich.)

Wenn ihr Bachläufe seht, füllt die Flaschen auf (Wenn man einen nicht allzu empfindlichen Magen hat, geht das oberhalb der Siedlungsgrenze eigentlich immer ganz gut. Zur Not wird's eben abgekocht.) Will man zeitig und bei Tageslicht sein Lager aufschlagen, empfehle ich schon am frühen Nachmittag nach einem geeigneten Platz Ausschau zu halten. Sonst ist man nämlich plötzlich wieder (genau!)  im Wald. Sechs Wandersstunden weiter immernoch; und heller wird's auch nicht.

(Typischer Waldweg im Soonwald. Geschätze 85% des Weges sind pue Naturwege!)

Die Nacht direkt im Wald war anstrengend und wunderschön zugleich. Ständig dieses laute Tropfen, dazu die riesigen Waldkäfer… und Spinnen, die Doppelkekse mit einen Happs vernichten. (Wildcampen ist da – wie eigentlich überall – übrigens kein Problem; ist ja sauleer der Landstrich und Feuer macht man ja auch keins. Erlaubt isses aber nicht, also hört ja nicht auf mein Geschwätz!) Nur im Wald hat man allerdings diese einzigartige, atemberaubende Geräuschkulisse.

(Noch ein typischer Waldweg. Mit lila Bäumen.)

Nur direkt im Wald hört sich der Wind an, wie ein natürliches Orchester. Unbeschreiblich schön. Ich schloss die Augen, und lag bei tiefster Dunkelheit geschätzte zwei, drei Stunden einfach nur da und lauschte. Ein solches Hörerlebnis hatte ich nicht mal in den wildesten Stechapfel-Zeiten; sowas kann wirklich nur Mutter Erde. Wahre Dramen und ganze Akte voller Leid, Glück und Frohsinn malten die wilden und windigen Geräusche in meinen Gehörgang. – Klingt kitschig, war aber genau so. Die weiteren Nächte schlug ich mein Lager jedoch an der Baumgrenze auf; den Atomkriegsplatschern wollte ich entgehen; die waren mir zu anstrengend. Gevatter Wind begleitete mich doch trotzdem; wenn auch in sicherer Entfernung.  

(Irgend' so 'ne Burg.)

Als ich nach 2,5 Tagen (!) (in Deutschland!) das erste mal wieder auf Menschen traf, (Der erste, den ich am Rande von Ellern traf, war übrigens ein lustiger Kautz. Sah aus wie 107, war auf dem Wege zum Pilzsammeln, und rief mir aus rund 30 Metern Entfernung sowas ähnliches wie das hier zu: WuuuuuuuTschäähhhk! Ich so: Hö? Wie es sich herausstellte, meinte er wohl Guten Tag, war dazu etwas schwerhörig und ich hatte aber auch wirklich nicht genau hingehört.) kam mir ein merkwürdiger Gedanke: Diese Menschen in den Dörfern uns Städten…die sitzen Abends auf dem Balkon (wenn's mal gerade nicht regnet), könnten aber eigentlich auf einem viel schöneren, würdigerem, sitzen. Nur drei Minuten hinterm Haus, mit maximal 3% Steigung…warum hängen die bloß alle da unten rum?

(Typisches Frühstück.)

Beim Marsch nach Bingen, ins belebte Rheintal, gingen mir ähnliche Gedanken im Kopf rum. Wie kann man nur? Und: Warum ist hier oben niemand? Oder: Es ist doch Wochenende, was machen die nur alle? Gibt es was schöneres als das hier? Vor allem: Was mache ich eigentlich sonst so, wenn ich nicht gerade das hier mache?

Hätten wir hier im linksrheinischen Köln eine solche Naturlandschaft  in Gehweite…ich würde bei Wind und Wetter und bei jeder Jahreszeit da oben sein. Diese Ruhe, der Blick auf das Rheintal…man sieht Mainz, bei gutem Wetter auch Frankfurt, Teile des Hunsrücks, sogar die Eifel in weiter Ferne…Wunderschön (Okay, zum Sonnenuntergang habe ich mir von den letzen iPhone-Akkureserven etwas Radiohead und Marvin Gaye gegönnt).

(Blick auf das Rheinthal bei Trechtingshausen.)

Unten im Rheintal angekommen beschloss ich, mal zu schauen, wie man denn auf die andere Rheinseite kommen könnte; der Weinberg bei Trechtingshausen lockte mit tollem Ausblick. Und wiederum schoss mir ein Gedanke durch den Kopf, den ich gerne teilen möchte: Es ist so schön, auf eine Fähre zu warten! Als Großstadt-Panz macht man was man will, wann man es will. Ist das Auto kaputt, geht man zu Fuß, fährt mit dem Bus oder ruft sich ein Taxi. An Flüssen jedoch wartet man auf die Fähre. Will meinen: Der Fluss, der fließt da seit 100.000 Jahren. Der hört auch nicht auf, nur weil ich auf einen Hügel klettern möchte. Der fließt auch immer noch weiter, wenn keiner mehr da ist, der weiß, was das Wort Fähre nochmal bedeutete. So eine erzwungene Entschleunigung ist einfach toll. Besser als im Stau stehen.

(Weisheiten des Waldes. Und so wahr!)

Für alle, die gerne den Soonwald bewandern möchten, hier noch ein kleiner Tipp am Rande: Wandert man den Soonwaldsteig falsch herum (also von Kirn kommend), so empfehle ich dringendst, auf dem letzten Teilstück der letzten Etappe den Straßenweg zu nutzen. Dieser führt gemächlich ins Tal und wirft einen nicht so abrupt vorm (hässlichen!) Bingener Hauptbahnhof raus. Nach drei, vier Tagen im Wald, ist der (Um-) Weg über die Straße die sanftere Variante, sich und seine Sinne wieder auf die Geschäftigkeit der normalen Welt einzulassen.

(Adventurebrücke irgendwo im Soonwald.)

Ich nahm bewusst ein Schiff nach Koblenz und anschließend einen Bummelzug nach Köln um eben diesem Übergang so sanft wie möglich zu gestalten. Als ich dann wieder auf der Kölner Domplatte stand, habe ich mich erstmal kräftig (fremd-)geschämt: (was mir wirklich selten passiert!) Die jugendlichen, amateurhaften Jumpstyler, die dort ihre unansehnlichen Moves vortrugen (versteht mich nicht falsch: Ich mag dieses synchrone rumgehacke auf Asphalt und Beton. Breakdance war damals zwar optisch irgendwie angenehmer anzusehen; …aber ey, was soll's, alles fließt, und so…) brachten mich umgehend wieder auf den betonharten Boden der Realität zurück: Ich schämte mich für diese unsere Kultur.

(Alter Industriekran in Bingen)

Sie fördert zutage, dass sich junge Menschen bei vollem Bewußtsein völlig zum Affen machen. Dabei könnten sie doch den Wasser-Erlebnispfad im Hunsrück erwandern

Ich schämte mich im selben Augenblick für diesen Gedanken. Denn – auf den Punkt gebracht – ist es das hier, was wandern (trekken, würde der Globetrotteler sagen) für mich bedeutet: Fokussierung. Nach innen; dann wieder nach außen; um wieder besser sehen zu können. Um fühlen zu können, dass selbst Jumpstyle ein Teil von mir ist. Wenn ich es nur zulasse. Bei fokussierter Betrachtung, nehme ich mehr war. Nämlich auch, dass ich Teil dieser großen verrückten Kultur bin, und ich sie schlicht nicht ändern kann. Im kleinen jedoch, bei mir, in mir, um mich herum, …da kann ich mitgestalten. Das ist ein tolles Gefühl, es erfüllt mich und macht mich glücklich.

…mein Fuß ist hinüber, bald kommt der Winter, einmal will ich vorher aber noch raus. Im Frühjahr möchte ich in die Vogesen, und diese Sache mit Lappland und den Redwoods reift langsam aber stetig zu einem realisierbaren Vorhaben heran.

Was wollt' ich sagen?

Genau: Schön war's.