Roland Benedikter gibt gestern bei Telepolis ein Interview über Google, den neuen Imperialismus und warum die erst kürzlich von Futurist Zoltan Istvan begründete Transhumanist Party vielleicht für den ersten Cyborg-US-Präsidenten aller Zeiten sorgen wird. (so hätte ich das Interview genannt)
Ich habe den Text eben via Nico auf FB entdeckt; und der hat auch gleich den prägnantesten Teil des Artikels als Posting bei FB rausgehauen. Hier ist der; anschliessend dann noch drei Sätze von mir dazu:
Die politische Vision der „Transhumanist Party“ ist im Wesentlichen eine dreifache, wie Istvan darstellt: 1) Den Wissenschaftlern und Technologen der USA die Mittel zur Verfügung zu stellen, um den „menschlichen Tod“ und das Altern innerhalb von 15-20 Jahren zu überwinden – ein Ziel, das laut Istvan eine wachsende Zahl von führenden Wissenschaftlern für realistisch hält. 2) Eine „kulturelle Mentalität“ in den USA zu kreieren, die von der Annahme ausgeht, dass „radikale Technologie zu akzeptieren und zu produzieren“ im besten Interesse der USA und der Menschheit „als Spezies“ sei. 3) Die Bürger vor dem Missbrauch von Technologie zu schützen und die planetaren Gefahren, die der Eintritt in die „transhumanistische Ära“ bedeutet, zu erklären.
Ich hab das Interview nun zwei mal durch. Und es pochen zwei Herzen in meiner Brust. Anarchistisch-philosophisch betrachtet komme ich mit jedwedem Parteiensystem nicht zurecht; nie, unter keinen Konditionen, selbst wenn es die glorreiche Transhumanifizierung des Abendlandes Kosmos bedeuten würde. Da bin ich nicht rational genug für. Nun stehe ich aber zb. mit Istvan in einer persönlichen Beziehung (meint: kurzer Facebook-Schnack, über sein Buch; und das große Ganze und überhaupt) und find‘ ja eh das der ganze transhumane Kram total prima zu einer anarchistisch-organisierten Gesellschaft passen würde. Dilemma, also. Ich denke ZoltanIstvan wär‘ schon ein prima Kandidat, hier ein aktuelles (deutsches) Wired-Interview mit ihm, hier ein 80 Minuten-Podcast zu seinen Cyborg-Präsidenten-Ambitionen.
Die futuristischen Visionen vieler US-Transhumanisten klingen schon arg nach Neokolonialismus. Die Saudis bekamen schicke Autos und die Müllabfuhr, heute werden die Entscheider der, räusper, Schwellenländern mit Cyborg-Augen und 4k-Prothesen gelockt, der Imperialismus findet seinen Bachlauf, da kannste sicher sein. Die dystopische Elite zwischen Boston und dem Silicon Valley trifft sich ja sicher nicht nur einfach so zu Fight Clubs in Hinterhöfen. Deren Allmachtsfantasien müssen schon arg wehtun. Was mir in dem Kontext problematisch erscheint: Ich sehe keine – bis kaum eine – europäische geprägte Gegenbewegung, kein Gegenstück zu dem eher narzisstisch-ökonomisch geprägten Transhumanismus, der da – nicht nur so ganz langsam – zu uns rüberschwappt. Bei Gentech und Saatgut rasten alle aus, und was einen auch cyborg-mäßig nach vorne bringt, dass sind diese coolen Drinks , und das Amerika grade wieder einen neuen Biowaffen-Geheimdienst (darpa.mil/our_work/bto/, ich verlink die sicher nicht) rausgehauen hat, und das ganze fieser düsterer Cyberpunk ist, interessiert solange keine Sau, bis der neue Robocop dann vor der Türe steht. Oder was? Klar, wir haben Bindeglieder, zu allererst sei da der sehr verehrte Nick Bostrom genannt. Aber: Langt das? Fragen über Fragen. Einige Antworten gibt es in dem eingangs erwähnten Interview. Hier einige Auszüge; ich nehme als ersten den, der mir sehr weise und richtig erscheint (zum Thema Humanisten und Transhumanisten)
Telepolis: Was ist das größte Problem?
Roland Benedikter: Angestrebt wird, den bisherigen Menschen durch einen neuen zu ersetzen – und in eine „Neo-Menschheit“ zu überführen, wie es der zweite Weltzukunftskongress formulierte. Die „Transhumanisten“ benutzen „Neo-Humanismus“ gleichbedeutend mit „Transhumanismus“. Dem müssen die Humanisten in konstruktiver Weise eine andere Wortbedeutung von „Neo-Humanismus“ entgegensetzen. Wir haben ja noch kaum begonnen zu begreifen, was der Mensch is, und worin unsere Menschlichkeit besteht. Bevor wir den Transhumanismus in den Blick nehmen, sollten wir also zunächst den Humanismus vollenden. Davon sind wir weit entfernt – zum Schaden des menschlichen Selbstverständnisses.
Telepolis: Glauben Sie, Zoltan Istvan hat mit seinen transhumanistischen Visionen eine realistische Chance im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016?
Roland Benedikter: Meine Prognose: Die Transhumanist Party ist ein cleverer Schritt zumindest für die Transhumanisten. Manche in den USA glauben zwar, er sei kontraproduktiv. Denn solange die Transhumanisten im Hintergrund ihren Einfluss geltend gemacht haben, gab es wenig Widerstand. Nun, da sie politisch kandidieren, wird der Widerstand wachsen. Das wird durchaus der Fall sein. Ich kann mir auch nur schwer vorstellen, dass so ein Programm mehrheitsfähig ist, weil es den meisten Amerikanern viel zu radikal ist. Aber es wird zunächst verstärkte kritische Auseinandersetzung hervorbringen. Mittel- bis langfristig wird es aber viele anziehen. Ich schätze das Potential dieser Partei zumindest in den 13 Weststaaten der USA auf 15-20%.
Ich persönlich tippe die 15% für das Jahr 2025; bei uns dann zehn Jahre später. Was bis dahin noch an Diskurs notwendig wird! Wahnsinn. Die hegemoniale Durchtechnisierung aller Menschen, des Menschlichen, muss jedenfalls verhindert werden; wie das mit ’ner Partei klappen soll, ist mir allerdings (noch) schleierhaft. Ich hab‘ da meine Position gefunden
tl;dr: Es geht einfach alles viel viel zu schnell.