Ach herrje. Ich weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll. Ich finde Nazis doof. Das steht. Ich finde alle Flaggen doof. Das steht …so einigermaßen.
Ich halte Flaggen für genau so überflüssig, wie staatliche Grenzen. Und bin mir der Utopie (Realitätsflucht?), die in diesen Gedanken steckt, doch sehr bewusst. Doch: Was wär‘ ein Leben ohne Utopien!? – Eben. Meine anarchistischen Anti-Flaggen Gedanken verstehe ich als philosophisches Gedankengut, welches pragmatische Ansätze für Diskurse in die verschiedensten Ecken der Gesellschaft / der Gesellschafts-Philosophie bietet: Saat und Grenze -> Ideen in Köpfen, keine Fakten, ergo -> Warum nicht überwinden? Bei Flaggen sieht das anders aus: Die gibt es. Und ich finde sie doch recht dämlich, weil sie weit über eine philosophische Denkidee hinaus gehen; die sind Fakt und hängen überall rum; im dööfsten aller Fälle werden sie von Idioten mit dämlichen Ideologien im Kopp umhergeschwenkt. Harmlos finde ich sie in Strebergärten aber auch nicht. In beiden Fällen kann ich aber nur minimal was dran ändern (zb. in dem ich Fahnenschwenker persönlich anranze – was an Fastelovend eher doof ausgehen kann – oder meinen Unmut verschriftliche, hier oder hier).
Was ich aber kann: Meine philosophischen Gedanken beiseite schieben, zugeben, dass ich – wenn ich in Norwegen NorwegerInnen ihre Flagge hissen sehe – ein warmes Gefühl empfinde, und endlich mal klarstelle, dass die Flagge meines liebsten Urlaublandes keine Flagge der Nazis ist! Ihr kennt die PEGIDA-Bilder alle: Viele hirnlose Plakate mit Nachdenkliche Sprüche mit Bilder darauf. Dazwischen immer wieder ein paar Schwarz-Rot-Güldene,… und dann immer wieder diese hier:
Oder, bei den Nazi-Profis, mit Gold statt Weiß drin. Dazu gleich mehr.
Ja, es ist wahr: Dass diese Flagge von Idioten geschwenkt wird, liegt größtenteils an der Klamotten-Marke Thor Steinar. Da hat der Missbrauch seinen Ursprung:
Die meisten Textilien tragen den Schriftzug Thor Steinar und das neue oder alte Logo der Firma. Letzteres wurde oft auch in Verbindung mit der norwegischen Flagge verwendet, wobei sich das Logo meist in der Mitte des Kreuzes der norwegischen Flagge befand. Bei neueren Textilien wird dagegen die originale norwegische Flagge verwendet. Die Regierung von Norwegen wandte sich bereits 2006 an deutsche Behörden, um den Missbrauch der norwegischen Flagge zu unterbinden.
Und was passiert wenn ein Staat mit einem Staat spricht? – Eben.
Der norwegische Staat erstattete im Februar 2008 Anzeige gegen die Firma, da diese auf zahlreichen Bekleidungstücken die Staatsflagge Norwegens aufgenäht hatte. Der demokratische Staat Norwegen wolle nicht, dass Neonazis die Flagge für ihre Werbezwecke missbrauchen, so der Gesandte Norwegens in Deutschland. Gegen den ergangenen Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft legte die Firma Widerspruch ein. Eine Entscheidung stand im November noch aus, nachdem sich das Potsdamer Amtsgericht für „örtlich nicht zuständig“ erklärt und das Verfahren nach Bonn abgegeben hatte.
(Diese Bürokratie und das ganze Geschwurbel entlarvt die Idee Nationalstaat auf ganz hervorragende Weise!). „nachdem sich das Potsdamer Amtsgericht für „örtlich nicht zuständig“ erklärt…“ -> Wooot? Was für ’ne Gelegenheit die sich entgehen lassen. – Die scheiss Nazis auf dem Potsdamer Amtsgericht. Die tragen sicher alle Thor Steiner drunter. Die Fucker. – Man kann noch ’ne ganze Menge darüber nachlesen, was Norwegen – tatsächlich aber auch einige deutsche engagierte Bürger (Farbbeutelanschläge!) – gegen diese Markenaffen von Thor Steinar unternommen haben. Auch erfährt man, dass die Norske Legion, eine Waffen-SS, einen ganz besondern Ruf unter Nazis genießt und diese Flagge von genau der SS halt ’ne Erklärung dafür ist, warum die besorgten Bürger heute die norwegische Flagge schwenken. Andere sagen Herr Wirmer sei schuld (der einer von denen war, die Hitler ermorden wollten – was dann so aus Nazi-Sicht noch weniger Sinn ergibt…) – Gleichermaßen hirnlos, wie langweilig, beide Erklärungen.
Letztlich ist die meistgenannte Erklärung dafür – die übrigens auch von Rechten oft vorgetragen wird – diese: Die norwegische Flagge steht für den nordischen Menschen. Mehr steckt da nicht hinter, ich hab’s recherchiert. Alles was da sonst an wissenschaftlichen Erklärungen zusammengeschwurbelt wird, kann man getrost unter Aluhut ablegen. Im übrigen: Nördlich? Wenn ich in Kapstadt sitze liegt Syrien auch eher nördlich. Ich hab‘ die Idealisierung von Himmelsrichtungen nie kapiert. Was können die dafür? Nun ja.
NORDmensch. NORwegen. Und irgendwas unwahres über Wikinger, das ist deren Erklärung dafür. Ohne Witz. – Wie blöd muss man sein?
…und damit frisst meine Artikel auch die eigene Headline: Es gibt keinen Kontext zwischen der Flagge und den Faschisten. Keinen, der Sinn ergibt. Vielleicht erklärt ihr das mal denen, die die schwenken. Falls möglich.
Zum Ende hin aber vielleicht noch etwas (positive?) Wahrheit. Wofür steht die Flagge eigentlich außerhalb der Aluhut-Sphäre? Eigentlich für ganz schöne Dinge: Frederik Meltzer hat sie erfunden, die echte meine ich: Frederik Meltzer war ein norwegischer Kaufmann und Politiker. Über den kann man auch viel nachlesen. Zitieren möchte ich in dem Kontext die tolle Website norwegenservice.net:
Meltzer begründete seine Wahl damit, dass die Flagge auf den Idealen der französischen Revolution basierende Farben trage. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit stehen also untrennbar mit Norwegens Flagge in Verbindung. Übrigens, das Kreuz, wie es auch die norwegische Fahne trägt, steht nicht nicht nur für den christlichen Glauben und damit für Nächstenliebe, Frieden (!) und Erlösung, sondern auch für die vier Himmelsrichtungen unserer gemeinsamen Welt.
Dazu passt, dass man in der norwegischen Fahne die Nationalflaggen Frankreichs, Finnlands, Thailands, Polens, Indonesiens, der Niederlande und Monacos entdecken kann. Eine Vielzahl, die wohl keine andere Fahne der Welt in sich vereint. Zudem sollen laut Meltzer das Rot und das Blau auf die Nationalfarben der Nachbarländer Dänemark und Schweden verweisen, was das Thema Brüderlichkeit mit anderen Völkern nochmal unterstreicht.
Ende.