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Flaggen, Fahnen, Nationalstolz und die EM 2012

Eine Flagge? Ein Plakat? Das böse A? Oh Schreck! Mein Auto! Poldi! Tooooooor! 

Eigentlich hatte ich gedacht – und auch etwas gehofft -,  dass ich langsam alt genug geworden wäre, um bei kontroversen Themen auch einfach mal meine blöde Fresse halten zu können. Aber. ES. GEHT. EINFACH. NICHT. Warum, das steht in und zwischen den folgenden Zeilen.

Hauptauslöser ist jedoch dieses seltendämliche Gefasel zu diesem recht linkischen Plakat, was man Leuten ans Auto klemmt, nachdem man alle Nazi Flaggen gestohlen entsorgt hat. Ich finde das Plakat amüsant, sehe es aber auch so, dass man es vielleicht anklemmen sollte, OHNE die Fahnen zu entfernen. SO denkt vielleicht wirklich mal einer (oder zwei) drüber nach. Was mich wirklich erschreckt: Person A postet das Bildchen. Auf einem Blog oder auf Facebook. Und 100.000 Vollspasstis mit 'nem Mikrokosmos einer Eintagsfliege kommen daher und pochen auf ihre Fan-Rechte. Beharren drauf, doch alle paar Jahre mal patriotisch, stolz und noch dämlicher sein zu dürfen, als sie es eh schon sind. Da werden mir dann Begriffe wie linker Penner, Kommunisten-Idiot, oder ewig Gestriger ins Gesicht geschleudert. Oder auf das Recht auf Eigentum gepocht.

Der Deutsche. Und. Sein. Verficktes. Auto.

Alleine über das Deutsche Auto und die Begrifflichkeit des Eigentums könnte ich Bücher schreiben. Nur mal kurz: Dein beschissenes Auto rührt keiner an. Nur die beschissene Flagge, die daran klebt. Und was genau denkst du zu besitzen? Du He-Man. Du blondgeföhnter Unsterblicher, dem die Welt zu Füßen liegt. Mach mal die Augen zu, dann siehste was deins ist. Oder denkst du, du nimmst irgendwas irgendwo mit hin, wenn du irgendwann mal in die Kiste hüpfst? 

Was bildet ihr euch eigentlich ein? Und worauf? Das ist wieder diese Meins-Meins-Meins-Denke, die uns überall hin führt; nur nicht auf den Mars, oder auf eine andere, neue, bessere Welt. Hirnverbrannte Ideologie, im Jahre 2012 längst überholt. Und jetzt erzählt mir noch mal was von ewig Gestern. Soviel dazu. 

Dann liest man (ich) Sätze wie den hier: (Vorausgegangen ist ein Loblied auf die Nation, die Verfassung und alles…und so) 

Die Leute empfinden Freude an diesen Fähnchen. Ob das nun primitiv, deutschtümelnd oder einfach nur doof ist, ist nicht euer Bier.

Aha. Ist es nicht? Das ist wie wenn ein Ur-Kölner (hier!) sagt: Leeve un' leeve losse (Leben und Leben lassen.) Man mag das als Kölschen Buddismus bezeichnen, ich nenne er hirnverbrannt. Ich soll also wegsehen, mich nicht mokieren oder äußern, wenn einer von Nation, Stolz, Ehre, Deutschland, Autos und Scheiss Holländern spricht? Natürlich lasse ich solche Menschen leben, aber was zu ihrem Leben beitragen möchte ich doch schon. Das Recht nehme ich mir raus. Total radikal. Und das nicht nur alle paar Jahre, in Zeiten von großen Sportveranstaltungen (die ja sooo friedlich sind, und sportlich und alles; und es nie Krawalle oder Fremdenhass gibt; keiner zu Schaden kommt, außer ein paar Hunde, aber die haben es ja auch verdient, was rennen die auch einfach durch die Kampfzone. Arschlochhunde. Sicher ausländische; bzw. von hinter der Grenze

 Ein kluger Mann Namens Renard sagte einst: 

Zuletzt steckt in jedem Patriotismus der Krieg, und deshalb bin ich kein Patriot. 

Genau so sehe ich das auch. Wenn ich zu EM-Zeiten durch mein Viertel latsche, bekomme ich es mit der Angst. Angst vorm deutsch-kollektiven Wahnsinn, ja, vor der kollektiven gewollten Verdummung meiner Mitmenschen. Ich fühle mich von Menschen die ihre hässlichen Häuserwände mit noch hässlicheren Deutschlandflaggen schmücken, ernsthaft bedroht. Ich will das nicht. Ich will keine Symbolik für Länder und Grenzen; ich will kein Symbol, was sagt, das wir WIR sind und die DIE. Denn DIE gibt es nicht. Nicht 2012, nicht im Internet, nicht im Flugzeug, nicht auf (m)einem Planeten. Der in den letzten Jahren so dermaßen eng zusammengerückt ist, wie nie zuvor in der Geschichte. Ich will nicht, dass wir uns diese Chance durch Gladiatorenkämpfe der Neuzeit entgehen lassen. Ich will keine Vuvuzela, die das letzte bisschen Vernunft aus den arischen Schädeln trötet. Ich will Heimatgefühl ohne Patriotismus, ohne Nationalismus. Das geht nicht? Dann schwenk' weiter 'ne Fahne und erschreck' deine Mitmenschen; wunder dich aber nicht, wenn deine Kinder in einer ziemlich beschissenen Welt groß werden müssen. Die mit Flaggen, mit Nationen, mit Regeln, Gesetzten, Kontrollen Grenzen und Auflagen. Die ohne Brücken, ohne Miteinander, ohne Freiheit, ohne Gefühl, ohne Liebe und ohne Menschlichkeit. Die meine ich. 

Aus der Schwärze (schwarz) der Knechtschaft durch blutige (rot) Schlachten ans goldene (gold) Licht der Freiheit. (wiki)

Na dann… 

…mit den meisten Menschen, mit denen ich die letzten Tage diskutierte,  von denen ich mich gar beschimpfen lassen musste, ist kein Weltfrieden zu machen. Die würden schon beim kleinsten Faul dem Holländer eins auf's Maul hauen wollen. So zumindest mein Eindruck.  Die nehmen die WM 2012 als Freifahrtschein. Der Befreiungsschlag! Endlich dürfen wir wieder. Auch U-Boote nach Israel liefern. Endlich wieder Stolz sein. Auf Deutschland. Auf das Wirtschaftswunder. Auf unser Sozialsystem. Auf eine bequeme Lebensweise, in Mitten einer kapitalistisch-diktatorischen Wohlstandmediokratie, die auf den Schultern der Menschen anderer Ländern errichtet wurde.

People who enjoy waving flags don't deserve to have one – Banksy

Schaut euch nur den deutschen Fanblog an, den die netten Kameramänner in Polen morgen Abend wieder einfangen werden. Schaut wie sie schauen. Wie sie stehen. In Reih' und Glied. Die Hände zum Himmel. Die Blicke voller Stumpfsinn und Hass auf die anderen. Die in den anderen Farben. Die Neger, und die Türken. Und die scheiss Itacker. Die haben uns schließlich um den WM-Titel gebracht. 

Jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. – Schopenhauer 

Fußball vor, noch ein Tor.

Leckt mich doch, ich geh' Fußball gucken. 

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