Amazon Dash: Widerlich!

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Bei aller Technikgläubigkeit: Das kotzt mich nur noch an! Diese Baby-Stimme! Is' mir übel. Was soll uns das sagen? Verlasst nie wieder das Haus, ihr könntet ja die Welt verändern. Oder: Fresse! Drückt Knöpfe und seid leise! Die Message ist eigentlich sonnenklar: Easy Shopping.

Warum denke ich dann aber dauernd, dass sei falsch? Kann ich euch sagen: Weil es eine weitergeführte Abkoppelung / Loslösung des ur-gewaltigsten Prozesses den man sich nur vorstellen kann, darstellt: Die Beschaffung von Nahrungsmitteln (und ich sage das nicht, weil ich neuerdings drei bis fünf Kräuter in meinem Garten ziehe, sondern weil ich es so empfinde, das wär' vor drei Jahren nicht anders gewesen!). Das Baby so: Rausgehen? VOLL SCHEISSE! Und: Selber denken? AUCH SCHEISSE! Mummy und Daddy haben nur (O-Ton) mehr Zeit für die speziellen Momente. Ich nehme an: Fotos von verfetteten US-Kids machen, ist gemeint. Klar, auch da kann man ja dann wieder einen Knopf drücken. Merkt ihr was? Merkt hier eigentlich irgendwer überhaupt noch irgendwas, oder fressen wir einfach immer weiter all die Scheisse, die uns die Multicorps vor den Latz knallen? Es scheint so. In Teilen des westlichen Amerikas ist der Service schon am Start.

Aus transhumanistischer Sicht müsste ich eigentlich Freudentränen weinen: Knopf drücken, immer satt sein! Das klingt ja erstmal nach einer utopisch-futuristischen Idee, die gar nicht so schrecklich ist, wie man vielleicht denken mag. Mag man aber mal denken, muss man zwangsläufig auf den Gedanken kommen, dass eine Wertschöpfungskette – mittels der dir das Pfund Hack schneller und günstiger geliefert wird, als der Metzger an der Ecke OH JE sagen kann -, irgendwo einen Logik-Fehler eingebaut hat. Dieser Logikfehler heißt Nutztier, Immigrant oder Billiglöhner.

Ich kann mir nicht helfen; mit dem wenigen an ökologisch/ökonomischen Verständnis – welches ich mir zutraue – , muss ich quasi die folgende Frage stellen: Wenn das alles so schön und einfach ist, und dazu noch so günstig… sich konträr dazu aber alle westlichen Industrienationen (welche die klar definierte Zielgruppe sind) in einem Sumpf der Verschuldung um sich selbst drehen… ja… wer zahlt denn eigentlich die Zeche für diesen Service? – Die Antwort weiß ich auch schon: Menschen und Tiere. Das ist nur logisch. Anders ist das gar nicht möglich. 

Und wenn juckt es? Den, der nicht den ganzen Tag nur Knöpfe drückt. Den Immigranten, der in Spanien oder Texas für 2€ oder 3$ die Stunde die Paprika aussortiert, die nicht die perfekten Rundungen der ISO-Norm erfüllt. Die Sau, die nach wochenlangem herumliegen, an den Haken gehängt wird, und umherzappelt (Achtung, fieses Video!), als wäre sie die letze ihrer Art. –  Wenn kümmert es? Wir haben ja bald auch Amazon Dash, mit griffigen Knöpfchen und einem Handling, welches der Ergonomie einer westlichen Hand sicherlich sehr entspricht. 

Vielleicht sollte vor dem drücken des Bestell-Knopfes das eben verlinkte Schweinevideo auf allen Screens des jeweiligen Haushaltes zu sehen sein. DAS wäre mal ne markt/produkt-strategische Maßnahme, die ich befürworten würde. Nur kommt mir auch da schon wieder ein dystopischer Gedanke: Selbst wenn die Sau schreit und zappelt… wen kümmert es denn noch? Der Knopf ist ja schon da. – Das ist alles nicht mehr mit Huxleys Brave New World zu vergleichen. Denn: Es ist weitaus schlimmer, als Huxley es sich je imaginieren konnte. Und es kommt sicher noch dicker. Schweinedick, würde ich sagen.

Abschließend: Auch ich esse Fleisch und bestelle bei Amazon. Allerdings wäre ich auch dazu bereit, alle AmazonFresh-Lieferwagen in die Luft zu sprengen und jedem die Freundschaft zu kündigen, der bei dem FRESH-Laden was bestellt. Hier geht es nicht mehr um die passive Zerstörung des Planeten (durch Rohstoff-Raubbau, welcher wiederum Menschenleben frisst), sondern das ist das aktive Beteiligen an der Unmoral, das aktive Auslöschen jeglicher humanistischen Ansätze und Ideen. Meine philosophische Lieblingsfreundin würde sagen: Die aktive Entfremdung von dem, was wir als das Wesen des Menschen kennen. Ich bin ja auch für den Übermenschen. ABER DOCH NICHT SO! 

…schön verpackt, mit Babystimme, über-ethisch korrekt und mit Wohlfühlcharakter.

So funktioniert Green- und Brainwashing in der Neuzeit. – Ich kotz' gleich alles voll. 

An der Fleischtheke. 

10 thoughts on “Amazon Dash: Widerlich!

  1. rollinger says:

    Tja,war abzusehen und was in USA beliebt wird so schnell wie möglich in DE kopiert. Man könnte ja mal eigene Ideen und Werte haben, dass kann nicht sein. Da muss man ganz schnell die ewige US Kopie sich über den Kopp stülpen. 
    Aber toll, wenn amazon fresh streikt, verhungert der Bürger. Bei der  Umfrag auf der Straße "Woraus werden Pommes gemacht?" Ist das Ergebnis vernichtend.
    In der Schule lernt man Integralrechnen. Nudeln kochen ist aber Fehlanzeige. 
    Lass die nur machen Chris, sollen sich mit ihren mobilen Eingabegeräten ihren 4qm TV Geräten und Amazon fresh in ihren Immobilien einmauern. Uns gehört dann die Welt da draußen. :-D

  2. Chris says:

    Hach! Wie du mich aus dieses düsteren Gedanken rausreißt, Rolli. Dank! ;) 

  3. vybz says:

    Da kann ich dir vollkommen Recht geben. Ohne mir das gruselige Video anzuschauen :-(
    Und auch ich bin Teil dieses Systems. Ich bestelle zwar nicht bei Amazon, aber das muss man auch gar nicht. Man kann auch bei einem Sklaventreiber (Personaldienstleister) beschäftigt sein, und so seinen Teil beitragen. Oder einfach nur Fleisch essen.

  4. Andy says:

    Die Frage, die ich mir dabei (bzw. bei vielen Dingen, die Amazon so macht) stelle ist nicht "Warum machen die das?" sondern vielmehr "Warum macht das noch niemand anderes?" 

    Warum gibt's so einen Service noch nicht vor Rewe? Oder von Karstadt? Oder vom Ökobioladen um die Ecke? Oder als Joint Venture der großen und kleinen Einzelhändler? 

    Wenn der Service wirklich so einfach funktioniert wie im Werbespot, würde ich da bestimmt gern hin und wieder drauf zugreifen wollen. 

  5. Chris says:

    Also bei uns machst das Rewe schon. In Pappkartons, mit denen man ganze Flugzeugträger tapezieren könntest. Kollege dann so: "Ja, aber die sind ja aus Ökopappe".  Und da ist der Knackpunkt: Soweit denken, dass die Ökopappe nicht von ganz alleine zum Recycling fliegt, macht (fast) keiner mehr. Das werfe ich dem Kollegen nicht vor, ich bin selber kein Hippie. Wenn, dann werfe ich das den Menschen im allgemeinen vor. Und, ja, das tu ich. Die scheisse Plastiktüte ist BILLIGER als die braune. Logisch is da nicht. Also: LASS ES! ;) 

  6. Chris says:

    Ahso…eben mal reingelesen: Es GEHT genau so "einfach" wie im Spot, schon jetzt, knapp 20 Mio Haushalte haben se schon, glaubt man den Zahlen. 

  7. Chris says:

    widerlich!

  8. Katharina says:

    Ein toller Service für Misanthropen, die müssten dann nie wieder das Haus verlassen und bräuchten keine anderen Menschen mehr ertragen. … Wobei – man müsste doch schon recht übersättigt sein vom Leben, um diese möglichkeit der völligen Isolation zu genießen.  Denn wenn man als Menschenfeind jeglicher Konfrontation mit dem eigenen Feindbild ausweicht, was bleibt denn da noch? Aber wer weiß… vielleicht hat sich amazon dafür auch schon was ausgedacht… ach ja..nennt sich amazon instant video. ^^

    Was mich angeht: Ich gehe gerne in den Supermarkt und kaufe meine Lebensmittel selbst ein. Und manchmal rede ich dort sogar mit fremden Menschen – ich brauche diesen Nervenkitzel … ;)

     

     

  9. fantasio says:

    Ach, das ganze funktioniert nur solange keine kinder im haus sind, die Misanthropen die WOW zocken und sowieso nur das haus verlassen wenn´s sein muss, für die isses super. Aber sobald kinder in der bude sind – und familien sind ja laut dem video mit die hauptzielgruppe, wird das ganze nix. Denn wenn die werbefuzies eins vergessen haben, dann das die meisten eltern nur einmal die megariesenbestellung der kleinen bezahlen werden die so zum spass mal alles im haus 25-mal einscannen – von wegen widerlich, die pranks dazu auf youtube will ich sehen:) 

  10. el-flojo says:

    Pah. Ich schick einfach meine Frau. :)

    Oder aber ich ruf meinen Nachbarn Chris an und lad ihn zum Essen ein. Einkaufen müsstest du dann eben selbst, aber der Rewe liegt ja aufm Weg. Und wenn du schonmal da bist, kannste auch gleich kochen.

    ;)

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