App zum Brechen: ‚Strassensheriff‘

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Ich frage mich ja echt, was in den Köppen dieser App-Entwickler und Konzepter vorgegangen sein mag. Vielleich sowas wie das hier:

Ey, kommt, wir bauen eine Denunziaten -App! Die Menschen sind eh alles scheisse, laßt uns dafür sorgen, dass die sich gegenseitig auch ja oft genug sagen, wie scheisse sie sind. 

Lachnummer. Bevor ich aber weiter breche erzählt euch die App selber, was sie – wenn die Entwicklung fertig finanziert wurde (bitte nicht!) – so tolles kann:

Es wird eng auf unseren Straßen: Immer mehr Radfahrer treffen auf Millionen von Autos. Um die Zahl der Konflikte zu verringern, müsste es deutlich mehr freie, sicher befahrbare Radwege geben. Und da kommt unsere App ins Spiel. Durch ein Posten von Orten, wo Autos auf Rad- und Gehwegen parken, wo Radler rote Ampeln missachten oder notgedrungen auf Gehwege ausweichen. Wir wollen Dialog und Verhalten verändern. Unterstützt unser Vorhaben – leistet Euren Beitrag für eine bessere Welt!

Außerdem steht da: 

Alle Posts werden auf unserer Website auf eine Karte übertragen. Hier können Autofahrer nachschauen, wo sie besser nicht mehr parken sollten, weil Radfahrer und Fußgänger aufpassen.

Und: Natürlich gibt es die Möglichkeit dem Autofahrer eine kleine (nette!? haha!) virtuelle Notiz zukommen zu lassen; die kann man (der angeschwärzte Autofahrer) dann auf der Homepage der App abrufen (bringt sicher schön Traffic, das war der Satz im Weltverbesserer-Meeting, ich wette es!). Ist klar. Schon mal einen Zettel an einem Auto gesehen, worauf stand: Liebster Falschparker, ich möchte reden? – Nee? Ich auch nicht. Bei mir fehlt dann da eher ein Autospiegel, es gibt Kratzer, oder einen Zettel, worauf alles steht, nur nix nettes. Und jetzt kommt ihr, ihr hässlichen App-Sheriffs, und macht uns alles zu Gutmenschen? Lachnummer! – …aber das sagte ich ja schon.

Es ist halt total easy, einfach das eigene Mitgefühl und die uns angeborene Empathie hinten anzustellen; auf Dritte zu verweisen (sei es nun die App-Website, die Polizei oder sonst irgendein beschissenes Amt), um sich nicht ganz so scheisse zu fühlen, weil man tief drinnen selber von sich weiß: Ich bin ein blöder Korinthenkacker​, ein Denunzianten-Arschloch, kann mich aber wunderbar hinter den Uniformen der Staatsdiener (respektive der App-Betreiber – denn als nichts anderes stellen die sich doch dar; diese obrigkeitsgläubigen Wichser!) verstecken. DAS ist nun eure Idee (Zitat) einer besseren Welt? Hallo? Könnt ihr euch nicht mal selber ins Knie ficken? Ich verrate es auch niemandem. 

Weiter unten steht das hier: 

Bei notorischen Falschparkern kannst Du die Informationen auch direkt dem Ordnungsamt zukommen lassen – die App informiert Dich automatisch, ob es sich um einen besonders rücksichtslosen Wiederholungstäter handelt. Per vorgefertigter Mail kannst Du dem Amt in Echtzeit die entsprechenden Daten zusenden. Aber bitte, lass Augenmaß walten – wir wollen kein professionelles, institutionalisiertes Petzen.

Nee, is' klar, wir wollen kein institutionalisiertes Petzen sondern nur ein bisschen Gepetze. Hallo? Das klingt wie: Die Stasi war auch nur ein bisschen doof. Spackos 3000, und alle die den Scheiss über Startnext mitfinanziert haben, sind blöde deutsche Tummelanschwärzer, die sich über ein faires, offenes, gesellschaftliches Miteinander noch NIE ernsthafte Gedanken gemacht haben. Wer die Polizei braucht, um sich mit seinen Mitmenschen anzulegen (ich rede nicht von passivem Schutz, ich rede von aktivem Anschwärzen!), der war und ist bei mir schon immer unten durch. Weiter im Text: 

Die App ermöglicht den Dialog mit dem Autofahrer, ist aber auch das Mittel der Wahl, wenn dieser versagt: Ein Klick, ein Foto, und GPS-Daten fügen sich zu einer Anzeige zusammen und werden mit den eigenen Absenderdaten an Amt oder Polizei übermittelt.

Na prima. Von Datenschutz will ich gar nicht sprechen, wir werden alle zu IMs, gehen uns gegenseitig noch mehr auf den Sack; weil es geht, es gibt ja jetzt 'ne Legitimation, die heißt APP, und ist der größte Scheiss am deutschen Start-Up-Himmel seit Zalando. – Glückwunsch, Innovationsstandort Deutschland. Ich hasse dich jetzt noch ein Stückchen mehr. 

Links: Keine dazu, gelesen habe ich davon hier: metronaut.de (der Autor sieht die App zum Glück ähnlich kritisch!) 

PS: Dieses Autofahrer vs. Biker-Thema ist auch wieder so ein gemachtes, typisch deutsch, ich schäme mich. Schon wieder. Ey. 

7 thoughts on “App zum Brechen: ‚Strassensheriff‘

  1. Olaf says:

    Mag sein das ich an Paranoia leide, aber geht das nicht irgendwie Hand in Hand mit der ganzen anderen Überwachungsscheiße von Politik und Geheimdiensten? Und passt es nicht hervorragend zur medialen Verblödungsmaschinerie? 

    Doofe Menschen die alles glauben, die jeden Mist kaufen und dafür schuften bis zum Umfallen, die freiwillig ihre Daten, Gewohnheiten und Vorlieben ausplaudern und natürlich den Anderen ihr Andersein nicht verzeihen können (womit ich nicht gesagt habe, das es okay ist, auf einem Radweg zu parken.)

    Kurz: Es ist das Rezept für die totale Macht.

    Willkommen in der Dystopie!

     

  2. bod says:

    Herrlich. :D Wir verbessern die Welt in dem wir Falschparker melden. Da ist wieder einer so richtig auf den Kopf gefallen und hat die Wunde nicht getackert.

    Ich habe dafür einfach diesen kleinen Artikel: http://www.amazon.de/corpus-delicti-Haftnotizen-SCHEISSE-GEPARKT/dp/B005MIYYBG/

    Entferne den Link, falls das nicht passt. :)
    Ich bin ja auch oft genug mit dem Rad unterwegs in der Stadt, aber irgendwie scheine ich gegen solche Probleme gefeit zu sein. Entweder mache ich also etwas grundlegend richtig, oder unglaublich falsch. 

  3. Vex says:

    Dachte anhand der Überschrift schon, es ginge um so etwas wie eine apporganisierte Bürgerwehr.

  4. Olaf says:

    @ bod: Ich hoffe, das ist ein Aufkleber, der sich nur unter größten Anstrengungen wieder entfernen lässt… ;o)

  5. da]v[ax says:

    Gab's in der Jungen Union da etwa neulich einen iPhone-App-Coding-Workshop? m(

  6. Chris says:

    lol @Max: Nein, aber bei Greenpeace (der Macher ist von da) 

    @bod: Die finde ich nett ;) Und: Auch ich bin Wechsler, mal Bike mal Karre, auch ich habe NIE und NULL Probleme, und das mitten in Köln. Daher "gemachtes" Problem, ob es ein "deutsches" ist, -… naja, ich alter Nazi und so.

    @Olaf: Dystopisch ist das echt, 3000 fach, ja; und deine Paranoia ist leider keine, schätze ich.

    @Vex: Nee, aber hier die gibts, hab ich hier mal erwähnt http://doktorsblog.de/2013/09/21/hass-mail-von-twitter-und-so/

  7. Bridgetroll says:

    Als nächstes machen die noch aus gegenseitiger Bespitzelung ein alternative Reality Game, oh mann…

    "Geil, nur noch zwei Falschparker finden, drei Fingerabdrucksets sammeln und ein Photo von der Nachbarin beim Sonnenbaden hochladen, dann kann ich schon auf 18 hochleveln und mir das Goldene Schwert der derben Rechtsstaatlichkeit holen, lol!"

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